Warum soziale Kontakte unser Leben verlängern

27. November 2019 Lesezeit: Themen
Während Themen wie Einsamkeit, Altersarmut und Grundrente unserer Gesellschaft schwer im Magen liegen, sollten wir mindestens ebenso intensiv an unsere soziale Versorgung im Alter denken. Was, wenn Zufriedenheit und Gesundheit nicht nur in der materiellen Absicherung zu finden sind, sondern auch ganz stark in der Qualität unserer Beziehungen? Altert man vielleicht langsamer, wenn man sozial aktiv ist?
Warum soziale Kontakte unser Leben verlängern.

Die vier Einflussfaktoren für das Alter

In der Alternsforschung unterscheidet man zwischen vier verschiedenen Altern – unterteilt nach den vier Einflussfaktoren auf unseren Alterungsprozess.

Das kalendarische Alter zeigt unsere tatsächlichen Lebensjahre. »Ich bin 63 Jahre alt.«

Das biologische Alter gibt unsere genetische Voraussetzung und unsere Lebensweise wieder. »Ich ernähre mich gesund und treibe regelmäßig Sport.«

Das gefühlte Alter spiegelt die subjektive Einschätzung zu den Lebensjahren wieder. »Ich bin so alt, wie ich mich fühle.«

Das soziale Alter wird durch unsere sozialen Netzwerke und unser Umfeld beeinflusst. »Ich habe Freunde, die ich nachts anrufen kann.«

 

Wie wichtig sind soziale Netzwerke für unseren Alternsprozess?

Unser Alternsprozess hängt nicht nur von uns selbst ab, also dem biologischen und kalendarischen Alter, sondern auch von unserem Umfeld, wie wir dieses nutzen, wie wir darin leben und es gestalten. Dies beeinflusst auch unser subjektives Empfinden, wie alt wir uns fühlen. Das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit haben wir ein Leben lang. Dabei haben jüngere Menschen eher ein großes soziales Netzwerk mit losen Beziehungen und ältere eher engere und sinnerfüllte Beziehungen. Dies ist natürlich abhängig von unserer Lebensführung, Lebenseinstellung, Wohnformen und unserer Biographie.

Welchen Mehrwert haben soziale Kontakte bis ins hohe Alter?​

Die Alternsforschung bestätigt immer wieder, dass positive soziale Kontakte lebensverlängernd wirken:

Zufriedenheit. Sie sorgen für mehr Alltagszufriedenheit und bessere Stressbewältigung.

Unterstützung. Das Gefühl von Unterstützung durch Freunde und Familie mindert die Gefahr einer Depression.

Denken. Sozial eingebundene Menschen bauen kognitiv langsamer ab als Alleinlebende.

Rehabilitation. Die Genesung nach Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt erfolgt schneller durch die soziale Unterstützung.

Gesundheit. Stabile Netzwerke sind gesundheitsfördernd, sie erhöhen die Lebenserwartung.

Ergänzend dazu nennt der Alternspsychologe Hans-Werner Wahl weitere Mehrwerte:

Leistungsfähigkeit. »Soziale Beziehungen sind wichtig für den Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit. Sie sind gewissermaßen ein natürliches Trainingsfeld.«

Kreativität. Die Lösung einer Aufgabe zusammen mit anderen fördert die Kreativität bei älteren Menschen.

Netzwerk. Die (körperliche) Selbstständigkeit wird aufrechterhalten durch Kontaktpflege.

Verständnis. Die Interaktion zwischen den Generationen fördert ein offenes und aufgeschlossenes Miteinander.

 

Warum wirken soziale Kontakte lebensverlängernd?

Soziale Kontakte sind kognitiv herausfordernd. Unser Gehirn bleibt dadurch fit. Sie vermeiden dauerhaft negativen Stress, der lebensverkürzend wirkt. Auch durch die Pflege von Freundschaften (z.B. Besuch, gemeinsame Unternehmungen) bleiben wir körperlich fit.

Entscheidend ist die Qualität der sozialen Beziehungen und nicht die Quantität. Jeder entscheidet selbst, welche soziale Kontakte ihm gut tun. Eine gute Mischung aus generationenübergreifenden Kontakten und Freundschaften ist hilfreich. So können jüngere Menschen unseren Alltag fordern und bereichern und die Verluste sind geringer, wenn ältere Freunde sterben. Sven Voelpel zitiert in diesem Sinne Mackey (2000) richtig: »Suche dir Freunde, bevor du sie brauchst«.

Welche Kontakte wir uns suchen, wird meist durch die sogenannte Ähnlichkeitsvorliebe (Similarity Attraction) bestimmt. Wir suchen uns Mitmenschen, die uns ähnlich sind. Gleiche Interessen, Bildung, Beruf, ethnischer Hintergrund, Religion, Geschlecht und Alter. Das ist einfach und bequem. Allerdings wird man dadurch nicht gefordert und kognitiv bereichert. Gerade jüngere oder unterschiedliche Mitmenschen können das Miteinander durch Themenvarianz bereichern.

Die Anzahl sozialer Kontakte, die wir für uns brauchen, entscheiden wir selbst. Sie ist abhängig von unserer Persönlichkeit und unserem Lebenslauf. Sind wir zeitlebens an einem Ort geblieben, so haben wir meist dort ein großes Netzwerk. Sind wir aber oft umgezogen, verteilt sich unser Netzwerk auf viele Orte und wir sind viel unterwegs (digital oder mobil) um dieses Netzwerk zu erhalten. Auch unser Berufsleben, unsere finanziellen Möglichkeiten für soziale Teilhabe und die gesellschaftlich geprägten Vorstellungen vom Alter (Altersbilder und -Stereotypen) sind ebenfalls einflussnehmend auf unser soziales Leben.

Was bedeutet das jetzt für uns und unseren Alternsprozess?​

Sven Voelpel appelliert klar an uns: Frühzeitig klären, was persönlich zu einem passt und wie man sich das Alter vorstellt. Folgende Fragen sollte sich dabei jeder stellen:

Lebensmodelle. Möchte man lieber allein oder eher in einer Gemeinschaft leben, wie z.B. Wohnprojekt, Wohngemeinschaft?

Lebensort. »Wo möchte ich leben«: Mitten in der Stadt oder auf dem Land?

Lebensweise. Möchte man selbst organisiert und autonom leben oder mit der Gewissheit einer zuverlässigen Institution oder auch Gemeinschaft im Hintergrund?

Daher also »hingehen, ansehen, mit Menschen sprechen und vielleicht auch mal zur Probe wohnen«. Lieber früh genug testen, als aus der Not heraus das Erstbeste nehmen müssen.

Für Gemeinschaften stellt sich dann die Frage: Suchen wir uns ähnliche Mitstreiter oder wollen wir viele unterschiedliche Menschen im Projekt bzw. mehrere Generationen haben?

 

Fazit

Lasst uns früh genug beginnen, Freunde und nette Mitmenschen zum Wohnen zu suchen, bevor es zu spät ist. Nicht nur für unsere Rente sollten wir vorsorgen, sondern uns auch sozial absichern. Quasi eine soziale Lebensversicherung aufbauen. So können wir uns Unterstützung und Bereicherung für unser Altern sichern.

Literatur:
Grundlage für diesen Artikel ist das Buch von Sven Voelpel »Entscheide Selbst, wie alt du bist. Was die Forschung über das Jungbleiben weiß« (Kapitel: Das soziale Alter. Wie andere uns alt machen oder jung halten. S. 177-247). Rowohlt Polaris. 2. Ausgabe 2016. Dort erfährt man noch mehr über das Thema, u. a. über Einsamkeit, auch kann man in einem Test sein soziales Alter bestimmen. 

Auch sehr zu empfehlen ist das Buch von dem oben zitierten Alternspsychologen Hans-Werner Wahl: Die neue Psychologie des Alterns. Überraschende Erkenntnisse über unsere längste Lebensphase. Kösel. 2. Auflage 2017.

Mehr lesen: Fakten über Wohnprojekte

 

Erstellt von Maria Baumert | Linkedin folgen

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