Außen Wohnsiedlung – innen Gemeinschaft
Was als Traum vor zwölf Jahren begann, ist jetzt für Petra und Martin Kirchner Realität geworden. Sie haben das gemeinschaftliche Wohnprojekt „Pomali“ mitinitiiert und leben seit Ende Dezember 2013 in der gemeinschaftlichen Wohnanlage in Oberwölbling, eine gute Autostunde westlich von Wien: „Das Projekt entstand aus der tiefen Erkenntnis, dass die üblichen Lebensstile in unserer Gesellschaft schlicht keine Zukunft haben. Wir brauchen soziale Innovation und attraktive Wohn- und Lebensmodelle, die weniger Ressourcen verbrauchen und gleichzeitig ein freudvolles Leben ermöglichen. Das Ziel hinter Pomali war und ist, einen vielfältigen Lebensraum für Menschen zu schaffen, die sich auf den Weg zu einer lebensfreundlichen Kultur machen wollen“, erklärt Martin Kirchner seinen inneren Antrieb, der ihn dazu brachte, so viele Jahre „dranzubleiben“.
Das Wort Pomali steht dabei für: Praktisch, Oekologisch, Miteinander, Achtsam, Lustvoll und Integrativ leben.
Teilen statt besitzen
Von außen sieht die Siedlung, die in der niederösterreichischen Weinbaugemeinde Wölbling am Rande des Dunkelsteiner Waldes errichtet wurde, fast wie jede andere aus. Jede Wohnung bzw. jedes Reihenhaus ist vollständig ausgestattet (inkl. eigener Küche, Bad etc.), aber mit 50 bis 122m2 etwas kleiner dimensioniert. Das Besondere ist: Im Zentrum der insgesamt 29 Wohneinheiten befinden sich die Gemeinschaftswohnflächen: eine große Küche, ein Multifunktionsraum, der auch für Veranstaltungen genutzt werden kann, ein Kinderraum, ein Bewegungsraum, ein Atelier und ein Wellnessbereich. Das insgesamt 10.000 Quadratmeter große Grundstück wird von den 53 Erwachsenen und 33 Kindern gemeinsam gepflegt. Neben dem Spielplatz für die Kinder und dem Schwimmteich nutzen die BewohnerInnen die Außenflächen vor allem für ökologischen Obst- und Gemüseanbau nach Permakultur-Kriterien. Auf einem Teil der Fläche baut die Gemeinschaft für die Gemeinschaftsküche an, die restliche Fläche dient passionierten Hobby-GärtnerInnen für die eigene Versorgung.
Nachhaltig leben – gut für die Geldbörse und für die Umwelt
Ökologie ist überhaupt ein großes Thema in Pomali. So kümmert sich ein eigener Arbeitskreis um möglichst ökologische Mobilität. Rund die Hälfte der BewohnerInnen haben gar kein eigenes Auto, obwohl die Wohnanlage mitten am Land gebaut wurde und damit Mobilität ein großes Thema ist. Stattdessen besitzt der Verein sechs Carsharing-Autos und zwei Elektrofahrräder. Die BewohnerInnen können die Fahrzeuge nutzen, wenn sie sie brauchen. Die Reservierung erfolgt über ein einfaches Listensystem. Das schont die Umwelt und die eigene Geldbörse.
Zusätzlich organisieren die Pomalis den Lebensmitteleinkauf beim Bio-Großhändler und kaufen Ernteanteile beim regionalen Bio-Bauern ein. So erhält man in der „Food Coop Immerfrisch“ biologische und regionale Lebensmittel zu einem günstigen Preis. Drei Mal pro Woche gibt es einen gemeinsamen Mittagstisch. Die BewohnerInnen kochen abwechselnd in der Großküche für die Gemeinschaft eine einfache vegetarische Mahlzeit in Bio-Qualität. Das spart den BewohnerInnen Zeit, weil sie sich zum fertig gedeckten Tisch setzen können. Es hat aber auch ökologische Vorteile: Einmal Reis kochen für zwanzig Hungrige ist ressourcenschonender als zwanzig Einzelportionen zuzubereiten. Und am allerwichtigsten: Gemeinsames Essen ermöglicht den Kontakt untereinander und nährt so die Gemeinschaft.
Das Gemeinsame gut organisieren
„Wir glauben einfach, dass das Leben miteinander leichter geht und mehr Freude bringt, als alleine in den vier Wänden. Das beginnt beim gemeinsamen Kochen und geht weiter beim Beaufsichtigen der Kinder. Das ist miteinander viel leichter zu organisieren als alleine“, meint etwa Katti Lechthaler, selbst alleinerziehende Mutter und Mitgestalterin der Organisation in Pomali. Dass es auch Konflikte gibt und vieles sehr gut organisiert werden muss, ist klar: „Wir haben nach einer Struktur gesucht, die allen Beteiligung ermöglicht und gleichzeitig effizient ist – und haben die Soziokratie gefunden. Wir haben zu allen wichtigen Themen Arbeitskreise ins Leben gerufen, die sehr autonom mit ihrem Budget arbeiten und entscheiden. Jede und jeder kann sich in ein bis drei Kreisen engagieren. Alle Entscheidungen sind über unsere interne Plattform transparent. Das schafft Vertrauen, so dass nicht alle überall mitreden müssen. Und das schont unsere Nerven und macht das Arbeiten effektiv“, schmunzelt die gebürtige Steirerin, die mit ihrer Tochter in Pomali wohnt.
Eine Vision auf den Boden der Realität bringen
„Mit dem Cohousing-Projekt Pomali ist es uns gelungen, visionäre Ideen von zukunftsfähigem Leben auf den Boden der niederösterreichischen Realität zu bringen. Wir konnten diese Idee aber nur umsetzen, weil viele Menschen mit uns an diese Idee geglaubt haben: allen voran die Gemeinde Oberwölbling mit Bürgermeister Gottfried Krammel und die Heimat Österreich als Bauträger“, meint Martin Kirchner zufrieden. Und in den letzten zweieinhalb Jahren ist über Feste, Nachbarschaftscafés, aber auch regelmäßige Gespräche die Beziehung zur unmittelbaren Nachbarschaft gut gewachsen: schöne Begegnungen auf der Straße, die Bierzapfanlage für die Feste, der Pferdemist für den Garten – das und mehr bekommen die BewohnerInnen von ihren NachbarInnen, die schon lange im Dorf wohnen. So verwurzelt sich die große Vision im Leben des Dorfes. Angekommen.
Erstellt von Karin Demming in Zusammenarbeit mit Hemma Rüggen, Autorin lebt im Cohousing-Projekt Pomali und ist Kommunikationstrainerin für Führungskräfte | Linkedin folgen