Altenpflege – ein Berufsstand in der Krise?
Ende der 90er wurde sogar bundesweit eine dreijährige Ausbildung festgesetzt, denn die Tätigkeitsschwerpunkte im Altenpflegeberuf sind vielfältiger geworden. Dieser Pflegeberuf basiert auf spezifischer Sachkenntnis, die durch eine anerkannte Ausbildung erlangt wird. Nun soll die Spezialisierung in den Pflegeberufen abgeschafft werden. Ist der Berufsstand in der Krise?
Unsere Bundesregierung plant neben dem Pflegestärkungsgesetz I-III, über das bereits im vorangegangenen Artikel berichtet wurde, eine weitere „bahnbrechende“ Pflege-Neuerung in Form der Abschaffung des Altenpflegeberufes.
Nach der Vorstellung unseres Gesundheitsministers wird es außerdem den Beruf der Krankenschwester sowie den Beruf der Kinderkrankenschwester spätestens ab 2018 nicht mehr geben. Weil es nun aber ganz ohne Pflegepersonal in den Krankenhäusern und Altenpflegeheimen auch nicht geht, heißt die Zauberformel unserer Bundesregierung: aus drei mach eins. Das Ergebnis soll eine Berufsbezeichnung sein, die sich schlicht „Pflegefachkraft“ nennt.
Um zu verdeutlichen, was diese „Reform“ für Patienten und Bewohner von Pflegeeinrichtungen bedeutet, sei vielleicht folgendes illustriert. Ein junger Mann möchte ins Handwerk. Er bekommt auch eine Lehrstelle und lernt im ersten Vierteljahr bei einem Maurer, im zweiten Vierteljahr bei einem Elektriker, im dritten bei einem Fliesenleger usw. usf. Am Ende seiner Lehrzeit wird er wissen, was eine Maurerkelle oder ein Phasenprüfer ist, er wird aber in keinem Fachbereich ausreichende Kenntnisse zur Ausübung einer speziellen Profession haben.
Oder nehmen wir das Medizinstudium. Bis zum Physikum durchlaufen alle Studenten die gleiche Ausbildung, danach erfolgt die Spezialisierung, denn: die einen möchten Orthopäde werden und die anderen Psychiater. Nur weil beide Mediziner sind, heißt das nicht, dass der eine das Fachwissen des anderen hat, bzw. die Erkrankungen des anderen Fachbereichs behandeln kann. Niemand würde auch seinen Bandscheibenvorfall mit einer Gesprächstherapie behandeln lassen wollen. Das ist logisch und leuchtet ein.
Für den Bereich des medizinischen Fachpersonals allerdings spielt diese Logik zukünftig, nach der Vorstellung unserer Bundesregierung, keine Rolle mehr. Hier soll es künftig egal sein, ob die „Pflegefachkraft“ einen Säugling oder einen hoch betagten Menschen behandlungspflegerisch versorgt – obwohl jedem Laien klar ist, dass gleiche Erkrankungen – abhängig vom Alter – völlig anders verlaufen und ein Kleinkind kein alter Mensch ist.
Was heißt das konkret? Für die Altenpflege würde diese Neuregelung bedeuten, dass künftig noch weniger Fachpersonal zur Verfügung steht, da eine Großteil der Ausbildung im Krankenhaus stattfindet und für die Praxis im Altenpflegebereich lediglich 1400/h in der gesamten Lehrzeit vorgesehen sind. Heute sind es immerhin noch 2000/h. Die ausbildenden Altenpflegeheime „sehen“ also ihre Azubis nicht nur während der Praxiszeit kaum noch in ihren Einrichtungen, sie laufen auch Gefahr, dass ein Großteil ihrer Auszubildenden auf Grund der langen Praxiszeiten in den Krankenhäusern gleich in selbigen verbleiben, da die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten durch die verschiedenen Fachbereiche im Klinikum ungleich höher und damit interessanter ist.
Es ist zu erwarten, dass unter diesen Vorzeichen viele Heime nicht mehr ausbilden werden und sich damit die Personalsituation in den Pflegeheimen, die heute schon vielerorts als dramatisch zu bezeichnen ist, noch weiter verschärft. Dass dieser Zustand nicht – wie gern in den Medien aufbereitet –
allein von den Trägern verursacht wird, sondern vor allem von einer Politik, die sich hartnäckig und ignorant den Realitäten einer überalterten Gesellschaft verweigert, wird nur allzu gern von der breiten
Öffentlichkeit übersehen.
Altenpflege – ein Berufsstand in der Krise? Es bleibt zu hoffen, dass die zahlreichen Petitionen und Apelle der Berufsverbände der Altenpflege an unsere Regierung, diesen Beschluß nicht umzusetzen, nicht ungehört verhallen, damit die Altenpflege in Deutschland weiter eine Zukunft hat.
Erstellt von Karin Demming in Zusammenarbeit mit Elisabeth Mai, Heimleiterin eines Seniorenwohn- und Pflegeheimes und Mitglied in der psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Gerontopsychiatrie Leipzig | Linkedin folgen