Gemeinsam Wohnen im eigenen Hotel
Mary-Anne Kockel: Hallo, ich bin Mary-Anne von bring-together und ich habe heute Christiane vom Wohnprojekt Keysermühle in Rheinland-Pfalz zu Gast. Kannst du dich bitte kurz vorstellen?
Christiane: Hallo, ich bin Christiane und wohne seit 5 Jahren hier im Wohnprojekt Keysermühle. Ich komme selbst aus dem Ort und bin hier aufgewachsen. Schon seit meiner Kindheit bin ich mit der Keysermühle verbunden. Vor 12 Jahren haben wir dann das Objekt gekauft. Wir sind eine Stiftung, die von Bürgerinnen im Dorf gegründet wurde, mit dem Ziel am Wandel der Gesellschaft zu arbeiten. Transformation ist dabei ein großes Wort. Und wir arbeiten nicht nur im Ort daran, sondern auch in der ganzen Pfalz. Zusammen mit anderen Dörfern und Kommen arbeiten wir daran, wie im ländlichen Raum, die Dörfer wieder zukunftsfähig werden. Wir sind somit ein Modelldorf oder damit ein Leuchtturm für den ländlichen Raum.
Mary-Anne: Du hast ja schon etwas dazu gesagt. Ich stelle die Frage trotzdem. Wie bist du zum Projekt Keysermühle gekommen?
Christiane: Ich bin wieder zurückgekommen aufs Land, weil ich Kinder bekommen habe. Meine Kinder haben gesagt, lass uns doch wieder zurück zu Oma und Opa ziehen, dann leben wir in einer Großfamilie. Tatsächlich wohne ich hier mit meiner jüngsten Tochter. Die älteren sind schon ausgezogen. Ich finde zum Erziehen eines Kindes benötigt man auf jeden Fall ein ganzen Dorf. Und das Leben in einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt bietet genau diese Chance alleinerziehend ein Kind groß zu ziehen. Es ist etwas anderes als allein in der Stadt mit Kind in einer Wohnung zu leben und zuschauen, wie bekomme ich meine sozialen Kontakte geregelt.
Mary-Anne: Wie sieht die Gemeinschaft aus, in der du lebst? Wie ist die Stiftung an das Projekt angebunden?
Christiane: Wir haben uns als Stiftung schon vor 17 Jahren gegründet. Unsere Themen sind Transformation und Wandel der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Vor 12 Jahren hatten wir die riesige Chance, die Keysermühle zu erwerben. Wir hatten diese dann zuerst als Stiftung gekauft, um hier inklusiv zu arbeiten. Somit haben wir vor dem Wohnprojekt erstmal ein inklusives Arbeitsprojekt auf die Beine gestellt. Derzeit haben wir 20 Menschen mit Behinderung angestellt. Die Keysermühle ist ein Tagungshaus mit Hotel und Gastronomie. Des Weiteren betreiben wir auch die Burg Landeck. Wir sind ein sozialer und nachhaltiger Inklusionsbetrieb, der gemeinwohlorientiert wirtschaftet. Durch die Krisen haben wir festgestellt, dass die klassische Gastronomie nicht mehr funktioniert und kein Zukunftsmodell ist. Somit sind wir seit 4 bis 5 Jahren dabei zu überlegen, wie wir hier, an diesem schönen Ort leben und arbeiten können. Die ersten, die dabei sind, sind 3 Erwachsene, meine Tochter und der Hund. Dann gibt es noch zwei Freiwillige aus Ecuador, die immer für ein Jahr dazukommen. Die wohnen auch schon im Wohnprojekt. Wir suchen gezielt Menschen, die nicht nur im Projekt wohnen, sondern sich auch in den Betrieb einbringen. Es kann klassisch in der Küche oder im Seminarbereich sein. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen die Bereitschaft mitbringen an sich zu arbeiten. Wir haben hier auch viele Gäste auf Zeit, mit denen wir zusammenleben. Mit denen wollen wir dann unsere Jahreszeiten und Rituale feiern. Wir haben einen Grillplatz und eine Schwitzhütte. Die Idee wäre, dass es eine Kerngemeinschaft gibt, die hier lebt und die Gäste nur auf Zeit dazukommen, um an bestimmten Ereignissen teilzunehmen. Der Unterschied zu einer gewöhnlichen Gemeinschaft ist, dass wir hier ziemlich öffentlich sind und dass wir viel mit anderen am gesellschaftlichen Wandel arbeiten. Interessierte können sich aber auch in anderen Projekten der Bürgerstiftung beteiligen. Im Moment haben wir 64 hauptamtliche Mitarbeitende. Wenn du hier herziehst, kannst du dir aussuchen, ob du eine hauptamtliche, nebenamtliche oder ehrenamtliche Tätigkeit oder Teilzeitbeschäftigung aufnimmst. Ich glaube, nur hier zu wohnen ohne zu arbeiten gelingt nicht, weil alle aktiv in Projekten engagiert sind. Auch die Menschen mit Behinderung sollen im Wohnprojekt leben. Im Moment wohnen sie im Dorf. Deshalb planen wir gerade neue Wohnungen auf dem Gelände zu errichten. Insgesamt wären es dann noch 18 bis 20 Menschen, die zusätzlich zu uns hier Platz hätten.
Mary-Anne: Ich möchte nochmals wiederholen, ob ich alles richtig verstanden habe. Aktuell arbeitet ihr inklusiv und strebt an, auch inklusives Wohnen anzubieten. Und ihr sucht Menschen, die nicht nur mit wohnen, sondern auch im Wohnprojekt mit arbeiten. Da gibt es dann verschiedene Ausrichtungen von ehrenamtlich über Nebentätigkeit bis Vollzeit.
Christiane: Es können auch kleinen Aufgaben sein. Wir haben einen großen Garten und planen diesen zur Selbstversorgung auszubauen. Aktuell haben wir einen Kräutergarten und ein Tomatenhaus. Für die Erweiterung des Gartens, um alle im Projekt und die Gäste zu ernähren, wollen wir neue Grundstücke erschließen. Dafür hat uns die Gemeinde gerade eine Fläche angeboten. Wir haben auch noch eine Außenstelle mit naturpädagogischem Spielplatz. Es gibt also sehr viele Betätigungsfelder für eine mögliche Mitgestaltung und Mitarbeit am Projekt. Zum Beispiel gibt ein einige Menschen in Rente, die eine paar Stunden in der Woche im Garten arbeiten. Dies entscheidest du nach deiner Kapazität.
Mary-Anne: Wie sieht denn der Wohnbereich bei euch aus? Kannst du da schon etwas Konkreteres sagen? Wie ist euer Wohnbereich aufgeteilt?
Christiane: Der aktuelle Stand ist, dass wir gerade mit einem Architekten die Keysermühle anschauen, wo wir Gebäude aufstocken oder dazu stellen können. Es wird wahrscheinlich ein Altbestand verändert und ein Neubau angebaut werden. In dem Altbestand gehen wir eher von Clusterwohnen aus. D. h. gemeinsame Wohn- und Essbereiche und kleine Wohnungen, in denen man sich zurückziehen kann. Wir planen mit 16 qm, die dann private Wohnfläche sind. Im Neubau sollen 2–3-Zimmer-Wohnungen für Kinder bzw. Familien entstehen. Es gibt noch ein Tiny House, dass wir gerade bauen und direkt bezogen werden kann. Darüber hinaus gibt es Angebote aus dem Dorf, die Wohnungen zur Verfügung stellen, um einen Übergang zu schaffen. Denn das Bauen wird noch 1,5 bis 2 Jahre dauern. Es wird also ein Umbauprozess geben, auf den du dich einstellen musst. Das Projekt ist nicht bezugsfertig. Wir planen zusammen als Gemeinschaft und nach den Bedarfen der Gruppe.
Mary-Anne: Du hattest vorhin erwähnt, dass ihr Routinen habt. Was sind denn die Routinen, die ihr als Gemeinschaft oder Hotel und Gastronomiebetrieb lebt?
Christiane: Wir bauen die Routinen gerade erst auf. Es gibt also noch Raum, diese mitzugestalten. Wir haben jetzt angefangen, uns zum Morgenkreis zweimal in der Woche zu treffen. Da sind alle, die hier wohnen oder nur auf Zeit zu Gast sind, herzlich eingeladen. Wer möchte erzählt, was ihn beschäftigt und wir begrüßen die, die neu dazugekommen sind und verabschieden die, die nur kurzzeitig mitgearbeitet haben. Dadurch kennen sich alle untereinander und wissen, was jeder Mensch im Projekt macht. Es dauert nur 5 Minuten, ist aber ein wertvolles Meeting, welches die Woche strukturiert und garantiert, dass sich alle einmal gesehen haben. Wir initiieren im Jahr mehrere jahreszeitliche Veranstaltungen. Zusätzlich gibt es ein Kulturprogramm. Es geht da einfach ums feiern.
Mary-Anne: Was sollte ich mitbringen, wenn ich bei euch mitmachen möchte? Genannt haben wir ja schon, dass Mitarbeit wichtig ist. Was gibt es noch?
Christiane: Das Thema Nachhaltigkeit wäre eine wichtige Grundvoraussetzung. Wir leben gemeinsam vegan und vegetarisch. Das heißt nicht, dass Fleisch privat nicht erlaubt ist, sondern dass gemeinsame Mahlzeiten pflanzlich oder fleischfrei sind. Dafür sollte eine Offenheit da sein. Dann versuchen wir hier wirklich in Kreisläufen zu denken und reduziert zu leben. D. h. wir teilen uns viel, z.B. Autos, Maschinen, Gegenstände. Ein hoher Luxusanspruch würde bei uns nicht befriedigt werden. Luxus ist für uns Zeit miteinander zu verbringen und Sinn für andere zu schaffen. Wenn der Sinn ist, dass es nur mir selbst gut geht, dann wird das wahrscheinlich auch nicht befriedigt. Du solltest schon jemand sein, der Lust hat, sich gesellschaftlich einzubringen.
Mary-Anne: Und wie sieht es vom Altersspektrum aus? Habt ihr da Wünsche?
Christiane: Wir sind für alles offen und wollen divers sein. Ich halte viel davon, dass die Gruppen gemischt sind. Das ergibt sich schon, dass wir verschieden Berufsspektren hier haben vom Hausmeister bis zum Management. Wichtig ist noch, dass wir uns soziokratisch organisieren. Es geht um selbstverantwortliches Arbeiten. Jeder übernimmt Verantwortung für seinen Bereich und schaut, dass er das gut mit den anderen Kreisen abstimmt. Dabei pflegen wir eine achtsame Kommunikation. Es ist wichtig, dass jeder seine Bedürfnisse und Grenzen formulieren kann.
Mary-Anne: Vielen Dank, Christiane. Dann sind wir jetzt am Ende. Ich möchte dir das letzte Wort geben. Was wünschst du dir für die Zukunft?
Christiane: Ich wünsche mir, dass diejenigen, die hier zur Keysermühle kommen, die Offenheit haben und merken, der Weg geht übers Herz und nicht über den Verstand. Und wer hier mitgehen möchte, ist herzlich eingeladen. Ich freue mich.
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Erstellt von Mary-Anne Kockel | Linkedin folgen
Über das gemeinsame Wohnen mit eigenem Hotel
Schau dir das vollständige Interview mit Christiane an. Den Link zum Wohnprojekt Keysermühle findest du direkt unter dem Artikel.
Mehr für das Stiftsgut Keyermühle findest du auf der Webseite.
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