Vom Mehrgenerationenhaus zum Wohnprojekt 50plus
Um ein Wohnprojekt zu planen, sind meist viele Hürden zu überwinden. Es bedarf eines perfekten Zusammenspiels von Kommunen, dem Architekten mit viel Fingerspitzengefühl und Know How und natürlich den passenden Mitgliedern selbst, die sich vorab erst finden müssen. Wer genug Ausdauer, ein gutes Konzept und Visionen hat und viel Engagement mitbringt, wird am Ende belohnt. So auch die Mitglieder des beispielhaften Wohnprojektes Buchholz. Die Anfragen von Interessenten für dieses Wohnprojekt waren am Ende so groß, dass die Gemeinschaft gerne noch ein zweites realisieren wollte. Leider konnten die Mitglieder bisher kein weiteres Grundstück in ihrer Nähe finden.
Geschichte
Im Herbst 2007 hat sich eine Interessengemeinschaft von zwölf Personen zusammengefunden, um über alternative Wohnformen nachzudenken.
Ihr Ziel war es eine Hausgemeinschaft zu finden, in der man sich gegenseitig hilft, immer jemand erreichbar ist, berufstätige Eltern eine Entlastung finden und die Kinder ihren Freiraum haben. Ein wichtiges Kriterium für die Ausrichtung ihres Wohnprojektes war auch, dass die Älteren solange wie möglich in der eigenen Wohnung selbstbestimmt leben können. Sie alle sind davon überzeugt, dass diese Wohnform einer Vereinsamung entgegenwirkt. Im Dezember 2008 wurde der Verein „Wohnprojekt für Jung und Alt – Buchholz in der Nordheide e.V.“ gegründet.
In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Buchholz wurde ein 3200 m² geeignetes Grundstück gefunden. Der Architekt Joachim Cordes entwarf ein Gebäudekomplex, das den Bedürfnissen für Menschen verschiedenen Alters gerecht werden sollte.
Dies entpuppte sich jedoch nicht nur für den Architekten als Herausforderung. Bereits in der Planungsphase wurde es immer schwieriger die Gruppe zusammen zu halten. Die Vorstellungen jedes Einzelnen waren zum Teil sehr unterschiedlich und sollten dennoch zu einem Konzept verschmelzen. Für einige waren es offensichtlich unüberwindliche Kompromisse und mangelnde Vorstellungskraft, die sie dazu veranlassten, bereits zu Beginn der Planungsphase auszusteigen.
Während dieser Zeit wurde in der Kommune viel Werbung für das Wohnprojekt gemacht, um weitere Mitglieder zu finden. Zu den regelmäßigen Informationsveranstaltungen kamen viele Interessierte, dennoch geriet das Konzept des gemeinschaftlichen Wohnens ins Schwanken. Unter den Mitwirkenden entstanden auch Zweifel: würde man sich für immer gut verstehen? Würde man es schaffen, allen Bedürfnissen gerecht zu werden? Würde man die Balance zwischen Nähe und Distanz halten können?
Mit vorerst fremden Menschen dicht an dicht zusammen zu leben, setzt gegenseitiges Vertrauen voraus, dies musste erst aufgebaut werden. Alle Wünsche und Vorstellungen jedes Einzelnen müssen berücksichtigt werden, Kompromisse sind an einigen Stellen erforderlich. Von der Idee bis zum Baubeginn eines Wohnprojektes dauert es meist viele Jahre. Im Oktober 2011 konnte der Grundstein in Buchholz gelegt werden und im Sommer 2012 zogen bereits nach und nach die ersten Bewohner ein.
Inzwischen ist die Gemeinschaft zusammengewachsen, die Zweifel, ob man sich gut verstehen würde, sind alle verflogen.
Das Durchschnittsalter der Wohngruppe liegt nun bei 60 Jahren. Es waren die Jüngeren, die hauptsächlich während der Planungsphase abgesprungen waren.
Die Bauherrengemeinschaft bestand aus vielen erfahrenen Menschen mit Berufen, die sich als nützlich für die Realisierung eines solchen Wohnprojekts herausstellten. So kümmerte sich zum Beispiel ein Jurist um rechtliche Angelegenheiten und für die Finanzen stand ein Banker mit Rat und Tat zur Seite. Jeder der Gruppe trug mit seiner Erfahrung und Fachkompetenz für ein gutes Gelingen dieses Projektes bei.
Dennoch konnten nicht alle ursprünglichen Ideen des Projektes realisiert werden. So sollten auf der anderen Straßenseite eine Wohnanlage für Behinderten- und Sozialwohnungen entstehen. Diese Planung scheiterte durch eine nicht mögliche Finanzierung der sozial ausgerichteten Wohnungen.
Der Bau dieses Wohnprojektes belief sich auf ein 1 1/4 Jahren. Das Wohnensemble umfasst drei verschiedene Häuser mit zwölf Wohneinheiten, die zwischen 60 und 110 m² groß sind. Die Grundrisse sind individuell mit der führenden Hand des Architekten und den Bauherren selbst gestaltet. Ein wichtiges Kriterium für die Gestaltung der Wohnanlage war die Barrierefreiheit. Sie sollte eine uneingeschränkte und eigenständige Mobilität im Alltag für die Bewohner ermöglichen. Dies hat der Architekt mit einem autarken Fahrstuhl und dem damit verbundenen Laubengang umgesetzt.
Das Gemeinschaftshaus, das von allen Bauherren gewünscht war, wird inzwischen rege genutzt. So trifft sich die Gemeinschaft einmal im Monat zum Frühstück und alle 14 Tage zum Filme ansehen. Dort findet man sich außerdem zum Kartenspielen ein oder es wird ein Grillabend veranstaltet, an dem auch Familie und Freunde teilhaben können. Jeder der Bewohner kann das Gemeinschaftshaus selbstverständlich auch für private Feiern nutzen. Und nicht zuletzt trifft sich dort die Gruppe, um Fragen zu klären, die das gemeinschaftliche Wohnen und Zusammenleben betreffen.
Im September 2012 konnten die letzten Bewohner ihre Wohnungen beziehen. Seither sind ausnahmslos alle dort Wohnenden glücklich, das Projekt umgesetzt zu haben. Sie fühlen sich sehr wohl, und keiner möchte wieder ausziehen. Alle schätzen die Vorteile der Wohngemeinschaft, wo das Bedürfnis der Nähe und Distanz respektiert wird. Sie profitieren von der gegenseitigen Hilfe im Alltag und genießen es, in der Gemeinschaft unabhängig zu leben.
Falls einer der Bewohner in Zukunft schwer erkranken sollte und die Hilfe der Gemeinschaft nicht ausreicht, hat man sich entschieden einen Pflegedienst hinzuzuziehen. Bisher war dies allerdings noch nicht nötig.
Keiner der Beteiligten möchte jemals wieder in der alten Wohnform leben. Einige der damals abgesprungenen Interessierten bedauerten inzwischen ihre damalige Entscheidung.
Sollte sich doch noch ein geeignetes Grundstück finden, könnte vielleicht der Traum vom Mehrgenerationenhaus realisiert werden. Die Nachfrage wäre inzwischen groß genug.
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Erstellt von Karin Demming | Linkedin folgen