Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied – Zur Miete in Gemeinschaft leben

12. August 2021 Lesezeit: Orte
Immer mehr Menschen schließen sich zusammen, um gemeinschaftlich leben und arbeiten zu können. Für viele Genossenschaftsmodelle ist oft eigenes Kapital erforderlich, um den Traum vom Gemeinschaftseigentum zu realisieren. Doch was machen diejenigen, die sich das nicht leisten können? In Gemeinschaft zu leben und zur Miete Wohnen – geht das überhaupt? Ja, es ist möglich, dafür braucht es Engagement, Kreativität und den Willen kommunaler Wohnungsbaugesellschaften. Hildegard Luttenberger erzählt uns im Interview, wie sie es geschafft hat, das Gemeinschafts(mieter)projekt »Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V.« auf den Weg zu bringen.
Nachbarschaftliche Gemeinschaft
Gemeinschaftlich in Nachbarschaft leben – Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V.

Interview mit Hildegard Luttenberger

Kannst Du Dich kurz vorstellen?

Ich bin Hildegard Luttenberger, 1952 geboren, als Älteste von 5 Kindern in einem hessischen 360-Seelen-Dorf herangewachsen, dabei die Volksschule besucht und 2 Ausbildungen abgeschlossen. Ich war als Friseurin tätig, wurde durch Heirat Familienfrau und Mutter von 2-3 Kindern (phasenweise lebte mit uns ein Pflegekind). Ich konnte, durch die Sicherung meiner finanziellen Existenz, engagiert leben. Über Jahre brachte ich mich in meinen Patienten Selbst Hilfe Verband (DCCV e.V.) ein und kam über Marburg (durch die Versetzung meines Mannes) nach Neuwied in Rheinland-Pfalz. Das Heranwachsen der beiden Kinder ermöglichte mir den Einstieg in versicherungspflichtige Arbeit in Teilzeit, bot mir dann die Chance über 5 Jahre ein Café zu betreiben, um mich dann einem weiteren Tabuthema zuzuwenden. Ich gestaltete Abschieds- und Trauerfeiern und engagierte mich für Bestattungskultur. In dieser Zeit wurde ich 55-jährig auf Neues Wohnen aufmerksam.

Was genau ist Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V.? Wer steckt hinter dem Netzwerk?

Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V. wurde – von mir initiiert – in 2011 gegründet, da eine Gruppe von Menschen das Gleiche wollte. Nämlich (notwendigerweise) gemeinschaftlich zur Miete wohnen und leben! Wir hatten uns in Neuwied zusammengefunden im Wissen, dass keiner von uns bauen und niemand eine Genossenschaft gründen konnte – unsere Stadt aber eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft hatte. Durch meine Vernetzung nach Hessen und Nordrhein-Westfalen, sowie durch die Begleitung der RLP-Landesberatungsstelle (Neues Wohnen) wussten wir, unser Ziel ist nur als rechtsfähige Person zu realisieren. Unser gemeinsames Anliegen war es, dass möglichst Alle, die gemeinschaftlich wohnen wollen, dabei bleiben können. Von Anfang an waren in der Gruppe Menschen mit Wohnberechtigungsschein.

Wer ist Eure Zielgruppe? Welche Hilfestellungen bietet Ihr an?

Aus diesem Vorhaben entwickelte sich die Zielgruppe 50plus! Denn rasch wurde uns klar, wenn wir auch noch Familien dabei haben möchten, übernehmen wir uns bei der für uns notwendigen Investorensuche. Wir legten uns auf Neuwied fest und planten 18 Wohneinheiten. Diese für Singles und Paare – mit 1/3 sozial geförderten Wohnungsbau (es wurden, wegen der Landesförderung für die Gemeinschaftswohnung 50%). Hilfe erhielten damals Interessierte durch unser Wissen, um die WBS-Förderung (Wohnberechtigunsschein). Jetzt im Wohnprojekt gibt es keine organisierte Hilfe – aber hilfsbereite und engagierte Nachbarn!

Lebenskonzept Nachbarschaftliche Gemeinschaft – bring-together
Vertraute Nachbarschaft als Verein

Was sind die 5 essentiellen Merkmale, die Euren Verein ausmachen? Was sind Eure Handlungsziele?

1. Seit dem Einzug ins Mieterwohnprojekt unterscheiden wir zwischen Verein und Bewohnergemeinschaft. Im Verein sind auch Mitglieder, die »nur« die Ideen rund um Neues Wohnen zur Miete mit sozialer Wohnraumförderung unterstützen möchten. Einige könnten auch zukünftig Mitbewohner werden.

2. Diejenigen Mitglieder die eingezogen sind, bilden die gewoNR-Bewohnergemeinschaft im Zeppelinhof. Sie wollen ein »Mehr an Miteinander« und hoffen, hier lange gut leben zu können. Für alle bedeutet das: ohne zu vereinsamen und möglichst bis zuletzt. Auch wegen letzterem braucht es regelmäßigen Austausch. 

3. Eigenverantwortlich leben – z.B. nach Hilfe fragen. Auch damit unser »Teilen bringt Gewinn« für alle gelingt.

4. Sich aus-ein-ander-setzen (um sich wieder zusammenzusetzen) – mehr oder weniger verpflichtend. Aber hoffentlich bald wieder mit allen gemeinsam in einem Raum, damit sich jeder als Teil der Bewohnergemeinschaft wahrnimmt.

5. Wohnen in vertrauter Nachbarschaft und als Verein ins Quartier wirken.

Was war Deine Motivation ein Gemeinschaftsprojekt auf den Weg zu bringen?

Meine Motivation lag in der Beobachtung vom alt werden meines Vaters als Witwer. Dann las ich in 2007 von einem Seminar Wohnkonzepte der Zukunft, nahm teil und wusste danach was ich wollte. Dass ich dafür engagiert sein musste, war mir klar, denn die Zukunft, die ich in Neuwied wollte, gab es nicht. Ich musste sie ermöglichen und machte mich auf den Weg.

Wie hast Du vorher gelebt?

Zu der Zeit davor lebte ich mit meinem Mann, ganz zufrieden mit den Rahmenbedingungen, zur Miete.

Wie bist Du vorgegangen – von der ersten Idee, bis heute?

Klar war mir, es braucht Mitmacher*innen. Aber rasch erkannte ich – auch durch mein Cafè – dass viele Menschen ähnliche Gedanken hatten, aber nicht handelten. Als »Redselige« und im Handeln geübte (als ehrenamtliche DCCV-Landesbeauftragte war ich erprobt) fand ich Frauen, mit denen ich zusammen mutig Öffentlichkeit herstellte, zu regelmäßigen Treffen einlud, über den Tellerrand schaute, mich vernetzte. Aus einer AG Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied 2008 in der LA 21 von Stadt & Kreis Neuwied heraus trieb ich, die von Allen als notwendig erkannte Vereinsgründung voran und – wen wundert es – wurde ich in 2011 Vorsitzende von Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V.. Den langen Weg bis heute kann man auf unserer Homepage nachlesen.

Was gab es für Hürden?

Als größte Hürden erlebten wir das nicht wahrgenommen werden in unserer Stadt mit ca. 65.000 Einwohnern. Unsere Gemeindliche Siedlungs Gesellschaft GSG mbH antwortete nicht auf Schreiben, nahm sich nicht die Zeit hinzuhören oder sich mit uns auseinanderzusetzen. Wir planten mal in unserer Ohnmacht eine Todesanzeige aufzugeben, erlitten auch gemeinsam geplatzte Hoffnungen mit privaten Investoren – gaben aber nicht auf. Ohne die wachsende Zahl von Mitmacher*innen hätte ich nicht durchhalten können. Seit 2013 fuhren wir einmal jährlich UNTER EIN DACH, immer wieder mal trafen wir uns auch UNTER UNS, um ab 2015 durch eine vorgelegte Absichtserklärung unserer Wohnbaugesellschaft entspannter weiter gehen zu können. Durch den Kooperationsvertrag zwischen gewoNR e.V. und GSG mbH in 2017 war unser Einzug gesichert. Seit Februar 2019 wohnen wir zusammen.

Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied vorgestellt bei bring-together
Mieter und Vereinsgemeinschaft WIR gewoNr

Wer kann bei Euch mitmachen und was sind die Spielregeln?

Die Voraussetzung, um dazu zu kommen, ist – möglichst bei unter 65jährigen, damit das Wohnprojekt nachhaltig bleiben kann – vor Allem die Sehnsucht nach einem langfristigen »Mehr an Miteinander«. Klar, dass der individuelle Prozess dann das untereinander kennen lernen beinhaltet. Aktuell natürlich sehr erschwert durch die Pandemie. Aber.... wir sind HOFFNUNGSVOLL !

Was möchtest Du anderen auf den Weg geben?

Mein Engagement entspringt dem Wunsch dazu bei zu tragen, dass Einzelne und im besonderen auch Paare, sich früh auseinandersetzen mit der Frage: Habe ich alles was ich brauche – und brauche ich alles was ich habe? Dazu ermutigen, dass diese Fragen nicht abhängig von finanziellen Aspekten sind, erscheint mir sehr wichtig und eine gesellschaftliche Aufgabe! »Gut leben im Alter« ist ein Slogan unserer Ministerpräsidentin. Für mich heißt das bezahlbar für all Diejenigen, die in Verantwortung sich selbst gegenüber, ihrer Kinder, sowie der Gesellschaft, gemeinschaftlich wohnen und leben möchten. Trauen Sie sich – gerne sind wir ein Ermutigungsbeispiel!

Was sind die bisherigen Erfahrungen mit bring-together?

bring-together begegnete ich im Newsletter der Stiftung Trias durch den Hinweis auf Redselig. Dieser sprach mich sehr an – siehe Absatz zuvor. Ich handelte! Schrieb eine Mail, erhielt Antwort, wir telefonierten. Nun steht Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V. schon in der Plattform und ich gehe auf Redselig zu – unfassbar!  All dies geschah im April 2021.

Ich fand mich in einigen Texten der bring-together Homepage wieder – was mich persönlich berührte. Super, solch vielfältige Infos auf einer Seite vorzufinden. Ein großer Schatz für Neulinge – und »alte Hasen«. DANKE!

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Euch und uns weiterhin viel Erfolg und schön, nun Teil von bring-together zu sein. Persönlich hoffe ich vertrauensvoll darauf, dass ich die Weichen so gestellt habe, dass es große Chancen gibt, im Wohnprojekt zufrieden und möglichst bis zuletzt leben zu können.

Mehr lesen: Fakten über Wohnprojekte

 

Erstellt von Karin Demming | Linkedin folgen

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