Wie kommt ein junger Mensch in ein Mehrgenerationenhaus?
Karin: Können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Julia: Ich gehöre zur Generation Y, werde in kürze 29 Jahre, ich bin promovierte Chemikerin und arbeite als Wissenschaftsjournalistin. Wie viele andere in meiner Generation treibt mich um, dass Dinge so wie sie sind oder lange Zeit waren, einfach nicht gut funktionieren. Mein Mann und ich sind selber »etwas alternativ« eingestellt. Wir imkern und haben ein kleines Grundstück gemietet, auf dem wir unser eigenes Gemüse anbauen. Darauf möchten wir nicht mehr verzichten. Wir sind somit halbwegs autark und damit ein bisschen anders als andere Menschen in unserem Alter.
Karin: Sie haben sich für ein gemeinsames generationsübergreifenes Leben im Wohnprojekt Kugelberg entschieden.Wie lange tragen Sie schon den Wunsch in sich? Wann kam es zu diesem Entschluss?
Julia: Der Wunsch kam eigentlich eher umständehalber mit der Sache. Mein Mann und ich leben aktuell mit einem der Initiatoren in einem Haus. Herr Putze, mit dem wir sehr guten sozialen Kontakt haben, fing vor, vielleicht 2 Jahren an, von diesem Wohnprojekt zu erzählen. Und er hat uns so lange immer wieder davon erzählt, bis wir gesagt haben, das könnte doch etwas für uns sein. Weil es einfach schön ist, nicht nur nebeneinander her zu leben — wie das jetzt in einem Standardmietshaus, wo wir gerade wohnen, ist — sondern zusammen etwas macht, sich besser kennt und von dem Wissensschatz der anderen Bewohner profitieren kann.
Karin: Was für Sie besonders wichtig im Wohnprojekt?
Julia: Wir fanden es sehr schön, dass es ein Mehrgenerationenhaus sein soll. Dort leben nicht nur mit Menschen in unserem Alter und sehr Alte, also 60+, sondern auch Menschen mittleren Alters zwischen 40 bis 50 Jahren und natürlich Kinder. Dann kam noch dazu, dass dieses Projekt ein spezielles ist, weil die Mitbewohner des Hauses gemeinsame Projekte durchführen wollen, die sich nach den Kompetenzen der Bewohner richten. Zum Beispiel wie Kunstausstellungen, ein Literaturcafe oder was man gerne machen möchte, was man kann, um damit anderen Menschen etwas Gutes zutun. Dieser Aspekt hat uns sehr sehr gut gefallen. Außerdem reden wir hier von einem Neubau und wann hat man schon mal die Chance, sich eine Wohnung so einzurichten, wie man möchte — komplett, von vorne bis hinten. Das war ein angenehmer Nebeneffekt, der natürlich nicht der Hauptgrund war, aber das ganze noch attraktiver gemacht hat.
Karin: Ist das Wohnprojekt »Kugelberg« in der Nähe, wo Sie jetzt leben?
Julia: Es ist 30 km südlich in Gießen. Aber insofern ganz praktisch, weil ich demnächst eine feste Stelle in Frankfurt in Hessen antrete, die 100 km südlich von hier ist. Somit ist es ein guter Kompromiss.
Karin: Was erhoffen Sie sich vom gemeinschaftlich Leben mit anderen? Was möchten Sie in dieser Wohngemeinschaft realisieren?
Julia: Also etwas konkretes Realisieren, wüsste ich jetzt noch nicht. Wie gesagt, was wir gemeinsam machen wollen, richtet sich danach, was die einzelnen Menschen können und machen möchten. Wovon wir sehr profitieren ist, dass im Wohnprojekt Menschen mit ganz anderen und mehr Lebenserfahrungen leben, als mein Mann und ich haben. Und dass wir vielleicht aus Fehlern anderer lernen können und man sich einfach gegenseitig unterstützt. Ich meine, wenn wir für die alten Menschen einkaufen gehen, würden sie im Gegenzug sicherlich auf unser potenzielles Kind oder unsere Katze aufpassen — oder so, dass einfach alles ein bisschen ineinander greift.
Karin: Sie sprechen von einem Geben und Nehmen, wie in einer klassischen Familie.
Julia: Genau. Nur dass es eine Wahlfamilie ist, weil heutzutage kaum mehr die Familien wie früher in greifbarer Nähe leben. Das ist auch bei uns der Fall und somit ist das Wohnprojekt eine wirklich schöne Alternative.
Wohnobjekt
Das Mehrgenerationenhaus »Projekthaus Kugelberg« wird im Juli 2016 bezugsfertig sein. Die Wohneinheiten haben unterschiedliche Größen. Im Erdgeschoss ist ein zusammenhängender Wohnbereich für eine Wohngemeinschaft mit 5 Einzelzimmern und einer Gemeinschaftsküche vorgesehen. Ebenfalls im Erdgeschoss befindet sich ein großer Gemeinschaftsraum für das ganze Haus, mit ebenerdigem Ausgang zu einem grünen Außenbereich. In den oberen Stockwerken entstehen insgesamt 10 abgeschlossene Wohneinheiten (3x 2-Zimmer, 5x 3-Zimmer, 2x 4-Zimmer). Im Kellerbereich finden sich PKW- und Fahrradstellplätze. Alle zukünftigen ständigen Bewohner sollen Eigentümer des Gesamtprojektes sein – für Studentinnen/Studenten sind auch einfache Mietvereinbarungen möglich. Alle Bewohner, auch die Miteigentümer, zahlen entsprechend ihrer Raumnutzung Mietzins.
Rechtsform: GmbH & Co. KG
Die Kommanditgesellschaft (KG) ist wie die GbR eine Personengesellschaft und hat somit grundsätzlich das Problem der persönlichen Haftung der Gesellschafter – ein Problem, welches die GmbH & Co. KG elegant gelöst hat. Wie der Name besagt, ist die GmbH & Co. KG aus einer GmbH und einer KG zusammen gesetzt. Durch die besondere Konstruktion mit der GmbH als allein haftender Gesellschafter (Komplementär) wird die Haftung der KG auf die Minimaleinlage von EUR 25.000,- der (Komplementär-) GmbH beschränkt. Ähnlich wie bei der Genossenschaft wird man durch eine Kapitaleinlage in die KG Anteilseigner (Kommanditist), erhält somit Stimmrecht in der KG.
Die Einlage in die Kugelberg GmbH & Co. KG beträgt EUR 10.000,- pro Wohneinheit. Über die Höhe der Einlage wird auch der Eigentumsanteil und das Stimmrecht definiert, alle Miteigentümer profitieren somit an der Wertvermehrung der Immobilie. Der Kauf der Immobilie wird durch Darlehen (Bewohner, Bank) finanziert, die KG kann dabei für die Miteigentümer/Mitbewohner ansehnliche Zinserträge ausschütten. Die Darlehensgeber unter den Mitbewohner können ihre Zinseinnahmen mit der Monatsmiete verrechnen, wodurch sich die monatliche Mietzinsbelastung entsprechend reduzieren lässt.
Grundsätzlich können auch Nichtgesellschafter Wohnraum mieten, die Kugelberg GmbH & Co. KG möchte dies aber auf die studentischen Bewohner beschränken. Wir möchten auch auf die Aufnahme von Darlehen durch Nichtbewohner verzichten. Bewohner und Eigentümer sollen identisch sein, nur dadurch kann echte Mitverantwortung für das Ganze im Rahmen eines gemeinschaftsfördernden Prozesses entstehen. Die Aufnahme und das Ausscheiden von Mitgesellschaftern/Mitbewohnern ist im KG-Vertrag geregelt, das juristische Verfahren ist einfach. Es besteht generell sehr viel Gestaltungsraum in Bezug auf Finanzierung und Mitsprache. Als mögliche Hemmschwelle bei der Gründung einer GmbH & Co. KG ist zu nennen, dass die Gründung der Gesellschaft einen gewissen Aufwand erforderlich macht und unbedingt juristischen Sachverstands bedarf. Allerdings wird dadurch auch gewährleistet, dass der laufende Betrieb für die Gesellschafter gut kontrollierbar, nachvollziehbar und somit transparent ist.
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Erstellt von Karin Demming | Linkedin folgen