Ein Erfahrungsbericht zum Workshop: Ich und die Gemeinschaft

29. März 2023 Lesezeit: Themen
Wie bereite ich mich auf ein Leben in Gemeinschaft vor? Diese Frage hat sich Mary-Anne Kockel gestellt und eine Antwort für sich gefunden. Sie erzählt von ihrer Motivation, nicht alles dem Zufall zu überlassen, sondern auf Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung zu setzen. Im Erfahrungsbericht berichtet sie über den Workshop: Ich und die Gemeinschaft.

Seit fast acht Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema gemeinschaftlich Wohnen und mit der Frage: Wie finden sich Menschen, die gemeinsam wohnen möchten? In den ersten Interviews mit Wohnprojekten und Besuchen vor Ort konnte ich einen Einblick in die unterschiedlichen Lebensweisen gewinnen. Mir gefiel der Gedanke, dass sich ein Haufen Menschen auf ein gemeinsames Ziel einigt: gemeinsam zu wohnen. Ich stellte fest, dass es Wohnprojekte und Gemeinschaften gibt, die als Familie agieren und kommunizieren. Und es gab Projekte und Ideen, die es leider nicht zu ihrem Ziel geschafft haben. Später sollte ich eine Antwort darauf finden, warum dies so war.

Mit der Geburt meines Kindes war klar, dass ich mich mit meiner Familie einem Wohnprojekt anschließen möchte. Über bring-together fanden wir einige Gemeinschaften, die für uns in Frage kamen. Mitte 2022 haben wir unser erstes  Wohnprojekt besucht. Gleich vorab: Es war eine Katastrophe. Mit ein paar Fragen im Gepäck sind wir nach Thüringen gefahren. Am Nachmittag hat uns die Initiatorin das Gelände und die Räume gezeigt. Dann gab es eine kurze Vorstellungsrunde. Spätestens jetzt merkte ich, dass unsere mitgebrachten Fragen viel zu oberflächlich waren. Ebenso fand ich es eigenartig, dass uns die Gruppe kaum Fragen stellte. Ein richtiges Gespräch entstand nicht. Anschließend wurden wir noch zum Abendessen eingeladen. Hier sind wir dann etwas aufgetaut und konnten noch ein paar Umgangsformen innerhalb der Gruppe erfahren. Wir haben uns trotzdem etwas wie Fremdkörper gefühlt. Das lag vor allem daran, dass wir völlig unvorbereitet waren. Wir hatten nicht die wichtigen Fragen für uns formuliert. Ebenso fehlte uns als Familie und Individuen ein klares Ziel, eine eindeutige Absicht oder Motivation sowie Gedanken darüber, was wir in die Gemeinschaft einbringen wollen. Wir haben in der Nähe übernachtet. Am nächsten Morgen haben wir uns die Gegend angesehen und eine weitere Leerstelle gefunden. Was haben wir eigentlich für Entscheidungskriterien? Zusammengefasst hatten wir nach diesem Treffen ganz viel Bauchgefühl und wenige Fakten.

Wieder zu Hause angekommen, beschäftigten wir uns mit folgenden Fragen: Warum ist es so schief gelaufen? Was sind die wichtigsten Fragen für uns? Wie erfahren wir etwas über unsere Bedürfnisse als Individuum und als Familie? Was brauchen wir? Was ist uns wichtig? Wie wollen wir leben? Was ist unsere Motivation? Was wollen wir bewirken? Eines war für uns klar: Wenn wir das alles wüssten, schwarz auf weiß und dazu noch irgendwie messbar, könnten wir eine Checkliste mit unseren Kriterien als Fragenkatalog erstellen. Dann können wir gezielt mit der Kontaktaufnahme diese Punkte ansprechen. Und erst wenn alles passt, besuchen wir das nächste Wohnprojekt. Aber wie nähern wir uns all diesen Fragen?

Die Antwort fand ich direkt um die Ecke :-) 2021 rief mich Patrizia Kaschek an. Sie erzählte mir, dass sie über 10 Jahre in Gemeinschaften gelebt hat. Als Unternehmensberaterin und Coach hat sie drei Workshops entwickelt, die das Zusammenbringen von Menschen erleichtern, die gemeinsam wohnen möchten. Seit 2022 bietet Patrizia diese Workshops nun in der Akademie für Gemeinschaft auf bring-together an.

Nachdem wir als Familie im Prozess überhaupt nicht vorangekommen waren, habe ich es gewagt und mich im Januar 2023 bei Patrizia im Workshop »Ich und die Gemeinschaft« angemeldet. Sie war überrascht, mich zu sehen, hat sich aber riesig gefreut. Mit drei weiteren Teilnehmenden haben wir uns auf die Reise gemacht, um unsere Bedürfnisse zu erkunden. Die Veranstaltung fand online über Zoom statt. Um 9:50 Uhr ging es los. Patrizia hatte darum gebeten, 10 Minuten früher da zu sein und drei Arbeitsblätter auszudrucken. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurden die Regeln für den Tag aufgestellt. Diesen Punkt empfand ich als sehr hilfreich, um mich 100 % auf den Workshop einzulassen. Es folgte eine Bestandsaufnahme der persönlichen Chancen und Risiken für den Schritt in eine gemeinsame Wohnform. Besonders gefallen hat mir Patrizias Vorgehensweise. Sie hat einen kurzen Vortrag gehalten und danach gab es eine kleine Aufgabe. Mit genügend Zeit konnte jede Person für sich selbst die Aufgabe bearbeiten und somit erste Ideen sammeln. Danach gab es einen 1:1-Austausch. Im Dialog wurden die Ergebnisse reflektiert. Ich empfand diese Übungen wertschätzend, offen und wohlwollend. So viel Empathie und Verständnis hatte ich zuvor selten bei einem Zoom Call erlebt. Zurück zum Ablauf: Nach der Bestandsaufnahme notierte ich auf dem ersten Arbeitsblatt meine Erkenntnisse der Übung. Diese wurden während des Workshops von mir in Handlungsanweisungen umgewandelt. Das sollte mein Aktionsplan werden.

Nach einer kurzen Pause gab Patrizia einen umfangreichen Vortrag, was das Leben in gemeinsamen Wohnformen ausmacht. Dabei ist sie auf die Grundbedürfnisse der Menschen eingegangen und warum 7 von 8 Wohnprojekten scheitern. Der Hauptgrund ist die fehlende Definition eines gemeinsamen Ziels. Also was ist die Mission, der Sinn und Zweck oder das WARUM einer Gemeinschaft? Und was genau ist der Unterschied zwischen Vision und Mission? Ich habe für mich folgende Analogie gefunden. Die Vision eines Zoos ist es, gefährdete Tiere zu schützen. Die Mission und damit tagtägliche Arbeit, die die ganze Crew leistet, ist es, nicht-heimische Tiere so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen und Wissen darüber zu erlangen. Diese Information musste ich erstmal verarbeiten. Dafür war die einstündige Mittagspause gut geeignet. Danach ging es zwei Stunden mit einer intensiven Arbeitsphase weiter. Welche Lebensbereiche spielen beim gemeinschaftlichen Wohnen eine Rolle. Mit einer von Patrizia entwickelten Methode konnte ich meine eigenen Bedürfnisse erarbeiten und visualisieren. Und das Beste daran war, dass ich gleichzeitig auch Lösungen entwickeln konnte, wie ich an den jeweiligen Punkten persönlich arbeiten kann. Das war für mich eine WIN-WIN-WIN-Situation. Jetzt hatte ich alles schwarz auf weiß inklusive Lösungsansatz und einen Aktionsplan. Zum Abschluss sollten wir uns überlegen, wie unsere nächsten Schritte aussehen. Es gab eine letzte Gelegenheit, Patrizia Rückmeldungen zu geben. Sie hat alle Fragen beantwortet und ein gutes Gespür für die Gruppe. Patrizia hat einen wertschätzenden Raum geschaffen, in dem sich alle wohlfühlten und bereit waren, ihre Bedürfnisse mit unbekannten Menschen zu teilen. Dann hieß es Abschied nehmen.

Aktuell erarbeite ich mit meiner Familie eine Checkliste mit unseren Kriterien als Fragebogen. Im nächsten Schritt wollen wir unser Profil auf bring-together aktualisieren und gezielt Wohnprojekte anschreiben, die auf Basis der Checkliste für uns infrage kommen.

Möchtest du mehr über den Workshop »Ich und die Gemeinschaft« erfahren, melde dich bei Patrizia über die FAQ auf der Kursseite oder besuche einen ihrer Vorträge. Im »Dialog: Leben und Wirken in Gemeinschaft« stellte Patrizia die Inhalte und Ziele des Workshops vor und ging darauf ein, für wen sie geeignet sind.

Mehr lesen: Fakten über Wohnprojekte

 

Erstellt von Mary-Anne Kockel | Linkedin folgen

Mary-Anne Kockel Mitgründerin von bring-together und Autor für gemeinsames Wohnen
Erfahrungsbericht von Mary-Anne Kockel
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