Bauernhof auf dem Land – Wie finde ich die passende Gemeinde?
Dieses Interview ist im Zusammenhang mit Bürgermeister Herrmann entstanden. Es bezieht sich darauf und stellt die private Seite des Prozesses »ein Wohnprojekt auf dem Land gründen« dar. Der Einblick soll Dir helfen, die Abläufe sowie Vorgehensweise zu verstehen und zeigen, wieviel Zeit Du dafür einplanen kannst.
Mary-Anne Kockel: Kannst du Dich kurz vorstellen?
Laura: Ich bin Laura, 33 Jahre alt und Architektin. Meine Leidenschaft für Hochzeiten und JunggesellInnenabschiede lebe ich mit meiner Marke Schachteltante aus. Seit August habe ich auch einen kleinen Laden in Leipzig bezogen. Das ist für mich sehr wichtig, denn ich bin zur gleichen Zeit von Berlin (3,7 Mio Einwohner) nach Treben in Thüringen (1.300 Einwohner) gezogen. Hier wohne und lebe ich in einem Mehrfamilienprojekt auf einem Bauernhof.
Mary-Anne: Wo hast Du vorher gelebt?
Laura: Bin auf einem Dorf aufgewachsen und hatte dort 18 Jahre gelebt. Dann bin ich für das Studium nach Dresden gezogen und hatte dort sieben Jahre in einer WG verbracht. In Berlin hatte ich meinen ersten Job gefunden und lebte fünf Jahre in einer Zweiraumwohnung mit meinem Freund. Und jetzt bin ich wieder beim Landvergnügen gelandet.
Mary-Anne: Was seid Ihr für eine Gemeinschaft?
Laura: Wir sind seit ein paar Monaten ein Mehrgenerationenprojekt. Gestartet sind wir zu sechst. Jetzt sind wir schon sieben Menschen plus ein Hund und zwei Katzen. Wir teilen alle mehr oder weniger das gleiche Interesse. Das zeigt sich bereits an unseren Ausbildungen mit vier BauingenieuerInnen, einer Lehrerin und mich als Architektin.
Mary-Anne: Wie habt Ihr Euch gefunden?
Laura: Wir sind drei Paare und haben uns bereits im Studium kennenlernt. Irgendwann saßen wir zusammen und stellten fest, dass wir das gleiche Ziel verfolgen. Wir wollen im Alter nicht allein sein. So entstand die Idee, bereits schon früh im Leben zusammen einen Alterssitz zu kaufen. Im Studium hatte keiner von uns Geld dafür. Vor 3 Jahren hatten wir dann genügend Rücklagen, um unseren Traum vom eigenen Bauernhof zu erfüllen. Mein Freund und ich haben das Thema dann schnell wieder auf den Tisch gebracht. Wir haben die anderen beiden Paare wiedergetroffen und zusammen entschieden, mit der Suche nach einem passenden Ort zu beginnen.
Mary-Anne: Wie seid Ihr vorgegangen?
Laura: Als erstes haben wir überlegt, wo eine gute Region für uns wäre. Ein Paar kommt aus Berlin, ein Paar aus München in Bayern und eins aus Leipzig in Sachsen. Wegen der guten Anbindungen und Lage haben wir uns für die Mitte entschieden.
Dann haben wir überlegt, wie wir eigentlich wohnen wollen und was uns allen wichtig ist. Unser Traum war es immer einen Bauernhof zu bewohnen, indem jeder sein eigenes Gebäude hat. Im Idealfall ein Vierseithof mit viel Land und Natur um uns herum. Hier könnten wir Pferde und Alpakas halten. Auch die Infrastruktur war ein wichtiges Entscheidungskriterium: ein gutes ÖPNV-Netz, Schulen, Kitas und kleine Läden. Bis nach Leipzig sollten es maximal 35 km mit dem Auto und 40 Minuten mit der S-Bahn sein.
Im dritten Schritt erkundeten wir mit dem Auto das Leipziger Umland. Dabei stand für uns die Frage im Mittelpunkt: Was passt zu uns? Wir sind im Süden vom Leipziger Land hängen geblieben – vor allem wegen der ganzen Seen. Damit war die Region gesetzt.
Als nächstes haben wir geschaut, wo die S-Bahn-Bahnhöfe liegen und welche Linien für uns günstig sind. Auch die Verkehrsknotenpunkte haben eine Rolle gespielt. Wo gibt es Bundesstraßen und Autobahnauffahrten.
Im 5. Schritt haben wir auf Eigeninitiative ein paar Bürgermeister (lustigerweise immer Männer) angeschrieben. Es gab aber keine Antworten und niemand hat sich bei uns gemeldet. Parallel dazu haben wir über Kleinanzeigen nach Angeboten geschaut und selbst Inserate geschaltet.
Am Ende musste doch wieder Vitamin-B ran. Eines Tages rief uns Bürgermeister Hermann aus Treben an, einer Gemeinde, die nicht mehr in unserem Radius lag. Er hatte zwei potentielle Grundstücke für uns. Wir sind hingefahren und haben uns diese zwei Objekte angeschaut. In den Vierseithof haben wir uns sofort verliebt.
Mary-Anne: Was gab es für Hürden?
Laura: Das Denkmalamt. Nein, das war nur ein Scherz. Wir wussten von Anfang an auf was wir uns einlassen. Zum Glück haben wir Ahnung vom Bauen und kennen die Vorgehensweisen und Kosten.
Eine Hürde war vor allem der Vertrag unter uns. Wir haben eine Teilungserklärung. Jedem gehört ein Drittel. Ein Jahr hat das gedauert, bis wir den Teilungsvertrag untereinander abgeklärt hatten. Wer hat welchen Parkplatz? Wer hat welche Grünfläche? Was passiert, wenn ein Paar sich trennt? Was ist mit Erbe, Instandhaltungskosten, Verbrauchskosten, Sondernutzungsrecht, Eigentumsrecht, Gemeinschaftsfläche und vielen anderen Dingen? Was ist mit Tieren? Alles muss in Gemeinschaft abgestimmt werden. Dasselbe gilt für Unternehmertum auf dem Gelände: Plant eine Partei Landwirtschaft, Ladengeschäfte, Pferdezucht, Ponyhof? Wie steht es um die Lautstärke?
Alle müssen sich darüber im Klaren sein, was die Absprachen sind, die eigenen aufgestellten Regeln und wie wir gegenseitig auf diese achten. Die Gemeinschaftsordnung ist notariell beglaubigt und kann erweitert werden.
Das Grundstück haben wir zusammen gekauft und jeder hat einen Teil. So schaut es auch bei einem Kredit aus: dafür gibt es auch sechs Teile.
Wir treffen uns einmal im Monat zum Stammtisch. Entscheidungen werden einstimmig getroffen. Ich hätte es als hilfreich gefunden, wenn es einen Mustervertrag für solche Gemeinschaften gäbe. Das gleiche gilt auch für Versicherungen.
Mary-Anne: Wo seid Ihr jetzt angekommen?
Laura: Zwei Jahre haben wir jetzt den Bauernhof. Mein Freund ist als erstes hingezogen. Die anderen Paare und ich sind schrittweise nachgekommen. Wir haben Gemeinschaftsräume mit einer Küche und einem Wohnbereich sowie einem großen gemeinsamen Hof geplant. Im Garten wollen wir doch lieber alle unseren eigenen kleinen Bereich.
Mary-Anne: Wie lange hast Du insgesamt für den Prozess gebraucht?
Laura: Drei Jahre von der ersten Initiative bis zum Einzug in meine Wohnung. Es gibt trotzdem noch viel zu tun.
Mary-Anne: Was wünscht Du Dir für die Zukunft?
Laura: 1. fertig werden, 2. die Gemeinschaft bleibt im Vordergrund, 3. Ausgleich zur Stadt schaffen, 4. nette Nachbarn finden (haben wir schon), 5. viele junge Leute, die in unsere Region kommen und frisches Leben mitbringen.
Fazit
1. Überlege Dir, wo eine gute Region für Dich wäre.
2. Überlege Dir, wie Du wohnen willst und was Dir wichtig ist.
3. Erkunde die Region vor Ort.
4. Prüfe die Infrastruktur.
5. Nimm Kontakt zu Gemeinden auf.
6. Schaue nach Grundstücken und Leerständen.
7. Bleib dran. Du brauchst Ausdauer, Geduld und Hartnäckigkeit.
Der Artikel »Wo möchte ich leben« hilft Dir bei der Entscheidung, was zu Dir passt. Denn Landleben ist nicht gleich Landleben.
Erstellt von Mary-Anne Kockel | Linkedin folgen